Das Interesse an der Ausstellung „Sterne ohne Himmel“ und die Bereitschaft, sich mit dem Thema „Kinder im Holocaust“ auseinanderzusetzen, war am vergangenen Donnerstagabend in der Adolf-Grimme-Gesamtschule groß. Nicht nur die bewegende Ausstellung, sondern auch die Eröffnungszeremonie ging unter die Haut und rührte viele Besucher*innen zu Tränen. Insbesondere das Engagement von 21 Schüler*innen des Wahlpflichtkurses UNESCO (JG 10), die diese Veranstaltung geplant und sich mit viel Empathie, Innovation und Mut in das Projekt eingebracht haben, war beeindruckend.
Ihre Lehrerin Sabine Rehse begrüßte die rund 150 Gäste und bedankte sich bei einer Vielzahl von Menschen, die an der Ausstellung mitgewirkt hatten, z. B. durch Bereitstellung von Requisiten oder fachlicher Expertise wie der Verein Spurensuche Harzregion. Ihr größter Dank galt jedoch ihren Schüler*innen, die im Sinne des Appels des Holocaustüberlebenden Max Mannheimer „Ihr seid nicht schuld an dem, was war, aber verantwortlich, dass es nicht mehr geschieht.“ beherzt, sensibel und engagiert die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wachhalten. Unter den Teilnehmenden war auch eine Delegation aus dem Haus Abendfrieden. Dort hatten kürzlich 11 Zeitzeug*innen ihre Erinnerung an die nationalsozialistische Judenverfolgung mit der Schülergruppe geteilt.
In seiner Rede zur Geschichte der Ausstellung begrüßte Dr. Kurt Fontheim auch das Ehepaar Rosemarie und Manfred Saak sowie Heidi Rank vom Arbeitskreis Stolpersteine Schöningen, die die aus der Internationalen Holocaustgedenkstätte Yad Vashem stammende Ausstellung nach Deutschland geholt hatten. Eindrücklich schilderte Dr. Fontheim, wie bewegend die Kindergedenkstätte in Yad Vashem auf ihn gewirkt habe. In einer unbeleuchteten Höhle blenden nach und nach viele Sterne an der Decke auf, die an die 1 ½ Millionen ermordeten Kinder erinnern und deren Namen verlesen werden. „Erinnerungen verblassen“ sagte Dr. Fontheim, „deshalb brauchen wir Erinnerungsorte.“ Diese Betroffenheit kam auch in dem Lied von Reinhard Mey zum Ausdruck: „Die Kinder von Izieu“, gespielt vom pensionierten Musiklehrer der AGG, Rainer Buhl, in dem das Schicksal der 44 jüdischen Kinder des Kinderheims in Izieu auf bewegende Weise geschildert wird. Die Schülerin Emely Trantow beeindruckte die Gäste am Klavier.
Sechs Schüler*innen des WPK berichteten anschließend über das Schicksal des jüdischen Schülers Kurt Heilbrunn aus Goslar und seiner Familie, untermalt mit Federzeichnungen von Rudolf Sattler und Fotografien aus dem Buch von Hans Donald Cramer „Das Schicksal der Goslarer Juden 1933-45“. Lediglich der Sohn Kurt Heilbrunn konnte sich nach England retten, während seine Eltern, das Ehepaar Willi und Henny Heilbrunn, sowie sein Großvater Richard Löwenthal in Theresienstadt bzw. Ausschwitz den Tod fanden. Eine Gedenktafel am ehemaligen Geschäftshaus der Familie Heilbrunn in der Fischemäkerstraße wird immer wieder mit Aufklebern rechtsradikaler Gruppen überklebt. Für die Schüler*innen ein Ansporn, sich für Demokratie und Menschenrechte einzusetzen. Langanhaltender Applaus belohnte sie für diese Leistung und Zivilcourage.
Dieses heute so notwendige Engagement griff Jens Kloppenburg in seiner Rede auf. Für ihn stehe das Engagement dieser Schüler*innen und die Veranstaltung für ein Beispiel, dass an Schulen nicht nur Wissensvermittlung stattfinden sollte. Dies sei ein gutes Beispiel für ein Schulsystem, das nicht einfach Wissen überstülpt, sondern durch die eigenverantwortliche Erarbeitung Werte und Erfahrungen vermittelt. „Das prägt fürs Leben“, rief er den Schüler*innen und Anwesenden ins Gedächtnis. „Diskriminierung, Rassismus, Antisemitismus dürfen keinen Platz in unserem Leben haben! Durch Quellenstudium, durch die Besuche prägender Orte, durch die Gespräche mit Zeitzeug*innen haben diese jungen Menschen Lehren aus der Vergangenheit gezogen, die bis in die Zukunft reichen.“
Im Anschluss an das offizielle Programm konnten sich die Teilnehmenden die Ausstellung ansehen und die Exponate von den Schüler*innen des Wahlpflichtkurses erklären lassen. 27 Schautafeln der aus der Internationalen Holocaustgedenkstätte Yad Vashem stammenden Ausstellung „Sterne ohne Himmel - Kinder im Holocaust“ zeigen die Lebensgeschichten und Erfahrungen von jüdischen Kindern und Jugendlichen, die das Grauen des nationalsozialistischen Völkermordes überlebt haben. Unter den bis Kriegsende von den Nationalsozialisten ca. sechs Millionen ermordeten Jüdinnen und Juden waren etwa anderthalb Millionen Kinder. Die Ausstellung dokumentiert, wie eingeschränkt und grausam das Leben jüdischer Kinder im Holocaust war.
Ergänzt wurden die Schautafeln durch fünf Exponate der AGG-Schüler*innen: In das Exponat zur Reichspogromnacht (9.11.1938) haben sie auch Informationen zu den Schicksalen einiger jüdischer Goslarer*innen einfließen lassen. Jüdische Kinder, die von mutigen Menschen versteckt wurden, mussten oft in ungewöhnlichen Verstecken ausharren. Dies veranschaulichten die Schüler*innen durch ein nachgebautes Dachbodenversteck und ein Versteck in einem alten Schrank. Innerhalb des Schrankes können sich Besucher*innen die Geschichte des jüdischen Jungen Senek Rosenblum anhören, welcher sich als Achtjähriger viele Stunden am Tag in einem engen Schrank verstecken musste, um nicht entdeckt zu werden. Ein weiteres Exponat der Schüler*innen stellt 25 der über 2000 vom NS-Staat erlassenen antijüdischen Gesetze und Ergänzungsverordnungen dar und veranschaulicht die systematische Ausgrenzung jüdischer Menschen und den Entzug ihrer Existenzgrundlage, was schließlich in der industriellen Massentötung jüdischer Männer, Frauen und Kinder mündete. Auch ein Exponat zur nationalsozialistischen Bücherverbrennung war den Schüler*innen – angeregt durch ein kürzlich stattgefundenes Zeitzeugengespräch im Haus Abendfrieden – wichtig.
Die Schülerfirma „Brotzeit“ hatte einen leckeren Imbiss sowie Getränke vorbereitet. Aufgrund dieses sehr bewegenden und berührenden Abends wurden die Gespräche unter den Teilnehmenden noch lange fortgeführt.